Veröffentlicht am 20.10.2017
Mit dem Jurastudium nach UK: Was es zu beachten und erwarten gibt

Das Jurastudium dauert sowieso schon lang genug und ausländisches Recht bringt einem auf den ersten Blick nichts für das Staatsexamen – wieso also ein Auslandsjahr in Betracht ziehen? In diesem Artikel stellt clavisto-Talent Ketty Getachew die vielen Vorteile eines Auslandsemesters vor und berichtet über ihre bisherigen Erfahrungen während ihres Studienaufenthalts in England:
Als ich das dritte Semester an der Goethe Universität in Frankfurt begann, hörte ich von Freunden in anderen Studiengängen, dass sie sich nach Studienorten des Erasmusprogramms auseinandersetzten und Bewerbungen vorbereiteten. Die Vor- und Nachteile für mein eigenes Studium waren mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt, weshalb ich recherchierte: Durch einen Besuch der Seite des Auslandsbüros der Jurafakultät fand ich schnell heraus, dass ein Auslandsaufenthalt nicht zum berüchtigten Freischuss hinzuzählt und ich den Fremdsprachenschein sowie zwei Leistungen für den Schwerpunkt erbringen kann. Das beeindruckte mich sehr, da man in Hinblick auf die Semesterzeit sogar Zeit gewinnt und nicht verliert-ein Aspekt von dem ich denke, dass in ihm die Angst vieler vor dem Abenteuer Auslandssemester begründet ist.
Ein weiterer Vorteil, neben dem Erbringen von Leistungen in einer Zeit die nicht in den Freischuss hineinzählt, ist abhängig von dem gewählten Studienort ganz sicher die Verbesserung von Sprachkenntnissen.
In meinem Fall war von vornerein klar, dass ich meine Englischkenntnisse verbessern wollte, die in meinem deutschen Jurastudium bislang nicht zum Einsatz kamen. Darüber hinaus ist es von Vorteil Kenntnisse im Rechtsenglisch zu haben, falls man Interesse daran hat entweder in Großkanzleien hinein zu schnuppern oder auch in anderer Weise internationale Kontakte im späteren Berufsfeld zu haben. Sicherlich können Kurse für Rechtsenglisch eine Alternative darstellen, welche hauptsächlich an Fernuniversitäten angeboten werden. Diese bieten allerdings nicht die weiteren Vorteile des Auslandsstudiums und sind sehr kostspielig. Neben dem fortlaufenden eigentlichen Studium mit all seinem Umfang sind sie unter Umständen nicht die beste Möglichkeit um sich englische Fachtermini anzueignen.
Wenn man sich wie ich für ein englischsprachiges Studium interessiert liegt es nahe, sich zu erkundigen, welche Partnerschaften mit Universitäten im englischsprachigen Raum bestehen. Die einfachste Art ins Ausland zu gehen ist meiner Erfahrung nach das Erasmusprogramm. Die Semesterzeiten in Europa sind sich ähnlich, während man beispielsweise bei Austauschprogrammen mit den USA Anfang des Jahres das Land für ein paar Monate verlässt aber somit Teile des Winter- sowie Sommersemesters verpasst.
Von dem Fachbereich meiner Universität gibt es jedoch jedes Jahr lediglich zwei Studienplätze im Vereinigten Königreich, an der University of Leicester, weshalb nicht für jeden die Möglichkeit besteht in einem englischsprachigen Raum (zumindest über Erasmus) zu studieren. Für den Fall, dass ich keine Zusage bekomme, habe ich auf den jeweiligen Websites nachgelesen welche Partneruniversitäten englischsprachige Veranstaltungen anbieten- das waren neben Universitäten in Ländern wie Schweden und Portugal einige, weshalb es sich in jedem Fall empfiehlt die Modulangebote durchzusehen bevor man sich bewirbt. Entscheidet man sich dazu in ein solches Land zu gehen hat kann dementsprechend von dem englischsprachigen Studium profitieren.
Glücklicherweise durfte ich, nach erfolgreicher Bewerbung bei dem Programmbeauftragten der Universität, mein Studium an der University of Leicester antreten: Ich besuche Veranstaltungen des englischen Verfassungs- und Verwaltungsrechts sowie Vertragsrechts als auch eine Veranstaltung im Völkerrecht. Dies ermöglicht Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen dem Common Law sowie unserem Rechtssystem auszumachen, was ich bisher als überaus spannend empfinde. Das Auslandsstudium bringt neben vorzeigbaren Fähigkeiten im Zusammenhang mit dem englischen Rechtssystem auch erweiterte Kenntnisse in der Rechtswissenschaft an sich, da man über den Tellerrand hinaussieht und neue Anhaltspunkte für Analysen und Interpretation sowie Kritik kennenlernt.
Das Studium erlebe ich bisher als sehr intensiv: Das Verhältnis zu den Professoren ist vergleichsweise persönlich, die Tutoriengruppen sind sehr klein (5-7 Studierende). Als Studierender muss man stets „Hausaufgaben“ vorbereiten und im vorgegebenen Umfang Lehr- und Fallbücher lesen sowie aufarbeiten. Dies unterscheidet sich sehr zum deutschen Unialltag der meiner Auffassung nach weniger schulisch gestaltet ist. Zudem ist jedem Studierenden ein „Personal Tutor“, ein Dozent des Fachbereichs, zugewiesen, der mit akademischem Rat zur Seite steht.
Zu der Finanzierung eines Auslandsaufenthaltes in UK ist zu sagen, dass man mit dem Erasmusprogramm ein Stipendium von zwischen 200 € und 300 € pro Monat erhält. Die Lebenshaltungskosten sind grundsätzlich (abhängig vom Lebensstandard) höher, wobei der Wechselkurs nach dem Brexit „besser“ ist und dementsprechend aktuell ein wenig Geld gespart werden kann. Die Studiengebühren liegen bei bis zu £9.000 für Engländer und bislang auch für EU-BürgerInnen. Erhält man ein (Erasmus-) Stipendium entfällt dieser Kostenfaktor entsprechend.
Mein persönliches Zwischenfazit ist bisher uneingeschränkt positiv. Im Ausland zu studieren macht sehr viel Spaß und ist in vielerlei Hinsicht lehrreich. Ein neues Rechtssystem kennenzulernen verdeutlicht die Vielseitigkeit der Rechtswissenschaft und hat mich in meiner Studienwahl noch einmal bestärkt.
Neben dem Zuwachs akademischer Kenntnisse und Fähigkeiten ist es zudem persönlichkeitsstärkend. Der Austausch mit den englischen und internationalen Studierenden ist sehr wertvoll, sodass ich auch in Hinblick darauf nur empfehlen kann die Möglichkeit eines Auslandsstudiums wahrzunehmen.
Es gibt einen Nachteil des Auslandssemesters, den ich natürlich nicht verschweigen möchte: Die Zeit vergeht leider viel zu schnell.
