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Veröffentlicht am 11.12.2023

Jura im Ausland studieren: Krakau - eine unterschätzte Stadt mit viel Potenzial

clavisto-Talent Stefan Schuster entschied sich im Wintersemester 2019/2020 sein Auslandssemester in Krakau zu absolvieren. Unter anderem erzählt Stefan in seinem Bericht, wie die Vorlesungen an der Jagiellonen Universität stattgefunden haben und in welcher Form die Prüfungsleistungen abgelegt wurden. Zudem teilt er wertvolle Freizeit-Tipps mit Dir und verrät was Du bei einem Aufenthalt in der polnischen Metropole auf gar keinen Fall verpassen darf.

Meine Entscheidung im Jahr 2019, das schon lange geplante und mit großer Vorfreude erwartete Erasmus-Auslandssemester im Jurastudium in Polen zu absolvieren, fußte auf zwei Gründen. Zum einen wollte ich ein mir unbekanntes Land kennenlernen, um mich ohne jede Erwartungshaltung auf diese Erfahrung einzulassen. Zum anderen interessierte mich die Geschichte Ost- und Mitteleuropas schon immer besonders. Die Gegensätze zwischen der kommunistischen Vergangenheit und der modernen Entwicklung Mittel- und Osteuropas in der EU und die daraus resultierenden Konflikte bieten für geschichtsinteressierte viel zu entdecken. Aufgrund der zentralen Lage und der langen Universitätsgeschichte als zweitälteste Universität Mitteleuropas fiel meine Wahl dann auf die Jagiellonen Universität in Krakau.  


Das Anmeldungsverfahren an der Jagiellonen Universität verlief unkompliziert. Nach der Zusage für das Erasmus-Stipendium musste man ein internes Auswahlverfahren der Gasthochschule durchlaufen. Zudem erhielt ich die Zugangsdaten zu dem Onlineportal der Universität (usosweb). Es gab die Möglichkeiten, sich für einen Platz im Studierendenwohnheim sowie für das Mentoring-Programm der Universität zu bewerben, die ich nicht in Anspruch genommen habe. 
In der ersten Semesterwoche organisierte das International Office eine Veranstaltung über das Kursangebot und das Leben in Krakau. Eine perfekte Gelegenheit, um gleich erste Kontakte zu knüpfen. Das Erasmus-Student-Network (ESN) ist in Krakau auch sehr aktiv und hat eine großartige Orientation Week mit Pub Crawls, Stadtführungen und Museumsbesuchen organisiert. In Erinnerung geblieben ist mir das International Dinner. Jeder sollte ein Nationalgericht aus seinem Heimatland mitnehmen. Ich war mit meinen mitgebrachten Weißwürsten (die es überraschenderweise im polnischen Supermarkt gab) und Brezn leicht als Deutscher zu erkennen. 


Das Leben in Krakau spielt sich überwiegend im Altstadt-Bezirk ab und auch das Hauptgebäude der Jagiellonen Universität sowie die juristische Fakultät befinden sich dort. Daher empfiehlt sich eine Unterkunft in Fußnähe der Altstadt. Nicht weit entfernt befindet sich das jüdische Viertel Kazimierz. Das jüdische Viertel ist aufgrund eines großen Angebots an Restaurants, Cafés und Bars sehr lebenswert und etwas ruhiger als die Umgebung um die Altstadt. Durch die Stadt verläuft die Weichsel, an deren Flussufer es sich im Sommer gut entspannen lässt. Wer Parkanlagen sucht, findet diese in Krakau vergebens. Abgesehen von einem Grünstreifen, an dem früher die Stadtmauern verlaufen sind, ist die Stadt dicht gebaut.


Die Wohnungssuche in Krakau bereitete mir keine Probleme. Die Mietpreise sind im Vergleich zu deutschen Großstädten erschwinglich. Allerdings dürfte sich das mittlerweile als Folge des Ukraine-Krieges geändert haben, da Polen mehr als 1,5 Millionen ukrainische Geflüchtete aufgenommen hat. Um die Unterkunft sollte man sich bereits früh kümmern. Angebote für befristete Mietverträge für internationale Studierende findet man in entsprechenden Facebook-Gruppen. Vorsicht ist hier vor unseriösen Promoter*innen geboten. Eine weitere und sehr unkomplizierte Lösung bietet das Erasmus-Portal Erasmusu, jedoch zu überhöhten Preisen. Ich selbst habe meine Wohnung über eine Agentur gebucht (justhome) und habe dies nicht bereut. Für die Agentur war eine Vermittlungsprovision in Höhe einer Monatsmiete fällig (ca. 350 Euro), dafür war die Wohnung umfassend ausgestattet und bei technischen Problemen wurde schnell und unkompliziert Abhilfe geboten. Die Kommunikation lief problemlos auf Englisch und der Mietvertrag wurde professionell abgewickelt. Insofern hatte ich Glück, viele Kommiliton*innen haben mit den landlords Schwierigkeiten gehabt. Die Vermietung an (zahlungskräftige) Erasmus-Studierende hat sich in Krakau zum Geschäftsmodell entwickelt.
Es besteht auch die Möglichkeit, in einem der Wohnheime unterzukommen, die mit ca. 80 Euro Monatsmiete sehr preiswert sind. Allerdings befinden sich diese weit außerhalb der Altstadt und bieten wenig Privatsphäre, da in Polen Doppelzimmer üblich sind. Auch sind die noch aus kommunistischen Zeiten stammenden Wohnheime sehr spartanisch eingerichtet, es fehlen etwa gemeinsame Kühlschränke. Ich selbst kann davon aber nur aus zweiter Hand berichten. Ein Deutschland entsprechender Standard sollte jedoch nicht erwartet werden. 
Die Lebenshaltungskosten in Polen sind im Vergleich zu Westeuropa niedriger. Die Kosten von Lebensmitteln in Supermärkten und Hygieneartikeln befinden sich auf deutschem Niveau. Dagegen sind die Preise in Restaurants niedrigerer, sodass sich das Selbstkochen nicht unbedingt lohnt. Sehr studierendenfreundlich sind die vom Staat geförderten Milchbars (Bar Mleczny), die traditionelle polnische Küche zu günstigen Preisen anbieten. Dort zahlt man für ein Mittagessen nicht mehr als 3 Euro. Ein Besuch ist auch ein Abenteuer für sich, denn die Mitarbeiter*innen sprechen hier meist kein Englisch, sodass es immer wieder eine Überraschung war, was man am Ende auf den Teller bekommt. 


Der ÖPNV in Krakau mit einem Trambahnsystem gut ausgebaut. Ein Semesterticket wird angeboten, ist aber nicht unbedingt erforderlich, da die Distanzen in Krakau auch leicht zu Fuß zurückgelegt werden können. Eine Einzelfahrkarte für Studierende kostet ca. 80 Cent. Manche Fitnessstudios bieten auch Studierendentarife an. Ich habe für mein Studio (MyFitness Place) ca. 12 Euro monatlich gezahlt und war damit zufrieden.

Die Jagiellonen Universität bietet eine mittelgroße Anzahl an englischsprachigen Kursen an. Diese werden fast ausschließlich von Erasmus-Studierenden belegt, sodass man mit polnischen Kommiliton*innen selten in Kontakt kommt. Die Qualität hat teilweise stark variiert. Sehr interessant waren „International Trade and Investment Law“ und „European Private International Law“. Spannend war auch ein Kurs über die Rechtsprechung des US-Supreme Court. Der Dozent, Professor der Rechtsgeschichte, war zudem Priester und hat die Lehrveranstaltung in liturgischen Priester-Gewand abgehalten. In Polen schließt das eine das andere nicht aus. Die Prüfungsleistungen bestanden in der Bearbeitung einer Essayfrage oder eines Multiple-Choice-Tests. Insgesamt waren die Prüfungsleistungen auch ohne größeren Lernaufwand gut machbar.
Eine Anmeldung für Kurse außerhalb der juristischen Fakultät war ebenfalls möglich. Die Universität bietet ein recht umfangreiches interdisziplinäres Kursprogramm. Es werden auch Polnisch-Kurse für Erasmus-Studierende angeboten, die jedoch privat gezahlt werden mussten. 
Mein eigentliches Leben in Krakau hat sich neben der Universität abgespielt. Krakau ist eine pulsierende Stadt mit über 200.000 eingeschriebenen Studierenden. Hier ist immer etwas los. Die Altstadt wird abends überwiegend von jungen Leuten bevölkert, Clubs und Bars sind an allen Wochentagen gut besucht. Es fiel mir daher nicht schwer, neue Leute kennenzulernen. Was das Nachtleben betrifft, ist in Krakau für jeden etwas dabei. Das Angebot reicht von günstigen Kneipen in der Altstadt (Bier 1 Euro), zu hippen und eher alternativeren Bars in bohèmer Atmosphäre. Im jüdischen Viertel gibt es eine außergewöhnliche Bar Szene. Wer entspannt ein Bier zu Kerzenschein und im Dekor des 19. Jahrhunderts trinken möchte, ist dort richtig. Mein persönliches Highlight war das Unsound Festival, eines der bekanntesten Festivals für experimentelle elektronische Musik. Das Festival findet jedes Jahr Ende September in den Räumlichkeiten eines alten Sowjet-Hotels statt. Das Programm umfasst Kunstaustellungen, Kinovorstellungen, Podiumsdiskussionen, Workshops und ausgefallene Clubnächte zu politischen Themen.

In kultureller Hinsicht hat Krakau als ehemalige Hauptstadt Polens und als Polens kulturelles Zentrum ebenfalls viel zu bieten. Es gibt viele interessante Sehenswürdigkeiten, Museen, Kunstausstellungen und auch Arthouse-Kinos, die Filme in englischer Sprache anbieten (Kino pod baranami). Sehr spannend ist Krakau für Geschichtsliebhaber. Die Stadt wurde im 2. Weltkrieg nicht zerstört, womit der Schatten der Vergangenheit an jeder Ecke spürbar ist. Sehenswert ist die Schindlers Fabrik im jüdischen Getto, auch das Konzentrationslager Auschwitz ist mit nur 2 Stunden Zugfahrt nicht weit entfernt und sollte von jedem einmal besucht werden. 
Einziger Nachteil am Leben in Krakau ist die schlechte Luftqualität. Im Winter übersteigt der Grad der Luftverschmutzung die EU-Grenzwerte um ein Vielfaches, teilweise ist der Himmel aufgrund des Smogs nicht sichtbar. Die Luftqualität hat sich in den letzten Jahren aber erheblich verbessert. Seit 2019 ist das Heizen mit Kohle verboten. Dennoch hat man in den Wintermonaten auch vor Corona-Zeiten regelmäßig Menschen mit Atemschutzmaske auf den Straßen gesehen, was für mich damals ein ungewöhnlicher Anblick war. 
Mit dem Englischen bin ich in Krakau überwiegend gut zurechtgekommen. Kenntnisse in der Landessprache werden von Ausländern nicht erwartet, es wird aber immer sehr gerne gesehen, wenn man sich zumindest um die Grundlagen bemüht. Bei Behörden oder bei der polnischen Post kommt man mit Englisch dagegen nicht weit. 

Die viele Freizeit in Krakau nutzte ich vor allem zum Reisen. Polens Großstädte Warschau, Danzig und Breslau sind von Krakau aus gut zu erreichen und definitiv eine Reise wert. Auch Budapest, Prag und Lemberg in der Ukraine sowie Polens Winterort Zakopane sind sehenswerte Reiseziele und von Krakau aus mit der Bahn erreichbar.  Das Bahnreisen in Polen war sehr günstig und angenehm. Das Ticket im IC-Zug nach Warschau kostet etwa 12 Euro. Krakau verfügt auch über einen internationalen Flughafen, der nahezu alle europäischen Hauptstädte anfliegt. Im Jahr 2019 hat das ESN die ESN-Card angeboten, mit der man bei RyanAir einen Rabatt und ein kostenfreies Gepäckstück von 20kg auf bis zu acht Flugreisen erhalten hat. 
Besonders in Erinnerung geblieben ist mein Ausflug in die ukrainische Hauptstadt Kyiw, damals noch günstig mit Direktflug von Krakau zu erreichen. Ich habe noch nie so eine interessante, gastfreundliche und vielseitige Stadt erlebt. Vor dem Hintergrund des aktuellen russisch-ukrainischen Krieges hinterlässt diese Erinnerung einen faden Beigeschmack und ich hoffe, noch einmal in Friedenzeiten wiederkehren zu können.  

Insgesamt habe ich Polen als ein interessantes Land im wirtschaftlichen Aufschwung kennengelernt, das kulturell viel zu bieten hat und sich aufgrund der guten Reisemöglichkeiten sehr gut als Erasmus-Ziel eignet. Die Erfahrung, Teil der Erasmus-Community gewesen zu sein und Studierende aus ganz Europa kennengelernt zu haben, war eine einzigartige und großartige Erfahrung. Krakau bietet mit einer Mischung aus Kultur und Nachtleben und guten Reisemöglichkeiten in Mittel- und Osteuropa die perfekten Voraussetzungen für ein erlebnisreiches Erasmus-Semester. Ich empfehle daher jedem, etwaige Vorbehalte gegenüber unserem östlichen Nachbarland beiseitezulegen und die Erasmus-Erfahrung in Krakau zu wagen.

 

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Erfahrungsbericht auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.