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Veröffentlicht am 27.07.2018

Mein Auslandsstudium in Porto Alegre

Um sich kulturellen und sprachlichen Herausforderungen zu stellen, hat sich clavisto-Talent Elisa Galir vor einigen Semestern für ein Auslandsstudium in Brasilien entschieden. Eine echte Herausforderung: Während man in den meisten Erasmusländern viele Kurse auf Englisch belegt und im weltweit anglo-amerikanischen Raum kaum kulturelle Differenzen überbrücken muss, bedarf es in Brasilien sowohl im universitären Alltag als auch privat etwas mehr an Flexibilität und Achtsamkeit. Mehr über Elisas spannende Zeit an der Universidade Federal do Rio Grande do Sul in Porto Alegre erfährst Du hier:

Mein Auslandsstudium im Rahmen des Abkommens zwischen der Universidade Federal do Rio Grande do Sul in Porto Alegre und der JLU Giessen, meiner Heimatuniversität, kann ich mit sehr gutem Gewissen als ein wahres Lebensereignis bezeichnen. Vor meiner Zeit in Brasilien verfügte ich über keine Portugiesischkenntnisse, allerdings sprach ich Spanisch. Mein Interesse an Lateinamerika rührte in kultureller Hinsicht insbesondere auch von meinem Spanischunterricht her. Auch wenn sich Brasilien von den spanischsprachigen Ländern Lateinamerikas unterscheidet, hat dieser Kontinent eines gemeinsam: Die Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit und Gelassenheit der Menschen. Ich wurde bereits bei Ankunft herzlich empfangen und ganz gleich, vor welchen Schwierigkeiten ich am Anfang stand, einem wurde stets geholfen. Der erste Gang als Student nach Ankunft in Brasilien führt einen üblicherweise zur Polizei: In den ersten vier Wochen muss man sich dort melden. Der Organisationsaufwand und die Bürokratie vor Ort lassen einen zunächst verzweifeln: Ich verstand damals die Behördenabläufe nicht, sie waren nicht logisch. Aber auf die Brasilianer war Verlass: Auch wenn man ihre Sprache nur unzureichend sprach, sie begleiteten einen bis zur Station, an die man musste, erklärten mit Mimik und Gestik was verlangt war und machten einem dann noch das Kompliment, dass man doch wirklich gut Portugiesisch spreche.

Finanziert habe ich mich über mein damaliges Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung, welches ich bereits in Deutschland bezog. Brasilien ist finanziell aber auch für BAföG-Empfänger durchaus machbar: Die Lebenshaltungskosten sind zwar höher als in anderen lateinamerikanischen Staaten, sie liegen aber immer noch unter denen in Deutschland. Studiengebühren fallen keine an und Reisen lässt es sich- abgesehen von den durchschnittspreisigen Inlandsflügen- ebenfalls immer noch recht kostengünstig.

2012/2013, das Jahr, in dem ich in Brasilien zu Hause war, war für die Brasilianer ein wirtschaftlich sehr starkes Jahr und bestehende wirtschaftliche Beziehungen mit Deutschland wurden rege ausgebaut. Als Studentin hatte ich daher ein besonders großes Interesse, das Rechts- und Wirtschaftssystem Brasiliens verstehen zu lernen. Die Rechtsentwicklung befindet sich dort immer noch in einem regen Fluss; die brasilianischen Studenten und Studentinnen, Professoren und Professorinnen sind wissbegierig, insbesondere auch am europäischen und vor allem deutschen Rechtssystem. Viele lernen deutsch oder haben ihren Doktor an einer deutschen Hochschule absolviert. Man steht daher auch gerne im Mittelpunkt an der Universität: Die Studierenden möchten mit einem über Verbraucherschutz, Philosophie des Strafrechts, gesellschaftliche Entwicklungen und Internationales Privatrecht und Menschenrechte diskutieren.

Das Jura-Studium in Brasilien unterscheidet sich sehr von dem in Deutschland. Auch wenn sich die Inhalte dank des Ursprungs im römischen Recht weitest gehend mit den Instituten, die man aus der deutschen Rechtsordnung kennt, decken, so ist doch die juristische Arbeit eine völlig andere. In erster Linie fällt auf, dass das Studium verschult und sehr theorie-/rechtsphilosophielastig ist. Zwar arbeitet das Gros der Studierenden neben dem Studium bereits in juristischen Einrichtungen, wodurch sie Praxis vermittelt bekommen, es fehlt allerdings an der konkreten juristischen Anwendung im Rahmen des Studiums. Selbst in den Klausuren werden größtenteils Multiple Choice-Tests geschrieben, anstatt Fälle zu lösen. Überrascht war ich jedoch bei meiner Bilanzziehung, wie viel man letztlich fachlich doch gelernt hat. Indem man das Recht eines anderen Landes kennen lernt, vertieft sich zugleich der Blick auf die eigene Rechtsordnung. Im Rahmen einer Forschungsgruppe, deren Teil ich wurde, erarbeitete ich eine Präsentation zum EU-Reiserecht und seine Auswirkungen auf das Internationale Privatrecht, die mit den anderen Forschungsarbeiten zusammen auf einem Kongress zum Internationalen Privatrecht in Lima/Perú vorgestellt wurden. Dies war ein Highlight meines Studienjahres.

In meinem Halbjahr habe ich dann ein zweimonatiges Praktikum an der Deutschen Botschaft in Brasília absolviert, welches mich unheimlich bereicherte. In diesem Rahmen konnte ich noch sehr viel mehr über Brasilien lernen. Eingeteilt war ich im Wirtschafts-und Sozialreferat. Ich konnte plötzlich vieles besser und fundierter beleuchten, ja, Brasilien politisch und sozial verstehen. Auch bekam ich das Gefühl selbst Teil dieses Landes zu sein: Sprachlich hatte ich keine Schwierigkeiten mehr, Freundschaften waren geschlossen, ich war viel gereist und konnte mich so bewegen, als hätte ich schon immer dort gelebt. Das ist zu Beginn des Studiums nicht selbstverständlich: Brasilien ist bekannt für seine Alltagskriminalität auf den Straßen, auch wenn man diesen Punkt bei einer gewissen Vernunft und gesundem Menschenverstand auch nicht überbewerten sollte. Denn Brasilien heißt in erster Linie: Unbesorgt sein.

Das Land bietet eine Fülle an Abwechslung: Süden, Zentral-Westen, Amazonas, Nord-Osten, Rio und São Paulo unterscheiden sich stark voneinander. Während Porto Alegre als Inbegriff der europäischen Lebensweise gilt, ist Salvador geprägt von afrikanischen Einflüssen. Hier pulsiert das Leben bei 40° und es vergeht kein Abend, an dem man nicht bei einem guten Fischeintopf, einem Caipirinha oder einem der zahlreichen Naturfruchtsäfte und Guter-Laune-Musik über den „jeitinho brasileiro“ sinniert, die brasilianische Art zu leben und leben zu lassen. Landschaftlich hat jede Region dieses kontinentartigen Landes wahre Schätze zu bieten: Die Wasserfälle von Foz do Iguaçu, der tiefe Regenwald des Amazonas, die Gebirge und Naturparks in Minas Gerais, Goiás oder Rio Grande do Sul, die endlos langen, einsamen und unberührten Strände zwischen Salvador und São Luís, sowie die landschaftliche Perle Rio de Janeiro, jeder kommt hier auf seine Kosten. São Paulo und das entfernt gelegene Brasília bestechen kulturell, sowie durch ihre Arbeitswelten: Hier tümmeln sich Diplomaten, Geschäftsleute, Künstler und Gelehrte. Porto Alegre, Belo Horizonte, Ouro Preto oder Curitiba sind Studentenhochburgen und ihre Parties sind selbst für Tanzmuffel ein absolutes Muss. Auch das hat Brasilien mich gelehrt: Gehen lassen zu können, unbeschwert zu sein, das Leben zu genießen und seine Sorgen Sorgen sein zu lassen. Während der größten Silvesterparty der Welt an der Copacabana habe ich den Vorsatz gefasst, einen Teil dieser Mentalität, dieses Optimismus mit zu nehmen. Wer einmal von diesem Geist erfasst wurde, wird ihn, denke ich, so schnell auch nicht wieder los. Es verging kein Tag nach meiner Rückkehr in Deutschland, an dem ich nicht an Brasilien gedacht habe. Ich kann jedem nur empfehlen, ein Auslandsjahr zu absolvieren, vor allen Dingen außerhalb der EU. Man merkt erst nach einem längeren Aufenthalt außerhalb Europas, wie „einfach und heimisch“ es doch zwischen Portugal und Rumänien, Schweden oder Malta ist. Außerhalb dieses Raumes erwarten einen aber völlig andere Dinge, an denen man wächst, die einen unheimlich reich und erfahren machen. Persönlich habe ich unheimlich viel gelernt: Wissen über Brasilien und Lateinamerika, die Sprache, Zugang zu Menschen, alleine schwierige Situationen zu meistern und vor allen Dingen zu genießen. Dies ist der Grund, warum ich es jedem ans Herz lege, sich auf diese Reise zu machen. Man wird mit viel Lebensfreude und Erfahrung zurückkehren. Und dann wird man die Sätze eines bekannten brasilianischen Sängers in vollen Zügen verstehen können: „A vida é tão simples e boa- quase sempre“ (Das Leben ist so einfach und gut- eigentlich immer). Seu Jorge & Ana Carolina, E isso aí.