Veröffentlicht am 14.08.2023
Jura-Studium im Ausland: Krakau - eine junge und moderne Stadt, die viel zu bieten hat

Vorbereitung
Die gesamte organisatorische Vorbereitung nach Erhalt des Studienplatzes in Krakau gestaltete sich dank der Unterstützung der Erasmus-Beauftragten der LMU München ziemlich unproblematisch und einfach.
Nach der Annahme des Studienplatzes und der Abgabe der nötigen Unterlagen war lediglich noch das rein formale online Bewerbungs- bzw. Anmeldeverfahren an der Jagiellonen Universität zu erledigen, was sich ebenfalls problemlos gestaltete. Außerdem galt es noch die „Erasmus Checkliste“ abzuarbeiten, was für die Auszahlung der Förderung von Nöten war.
Schließlich gab es dann noch die Möglichkeit sich für ein, von der LMU angebotenes, interkulturelles Training während der Semesterferien anzumelden. Zwar wurde ein solches nicht speziell für Polen bzw. den osteuropäischen Raum angeboten, jedoch gab es die Möglichkeit an einer allgemeinen Vorbereitung ohne Länderschwerpunkt teilzunehmen. Leider kann ich dazu nichts Genaueres berichten, da ich dieses Angebot nicht war nahm.
Von der Jagiellonen Universität selbst wurde außerdem ein polnischer Crashkurs angeboten, der in den zwei Wochen vor Semesterbeginn stattfand und die wichtigsten Grundlagen im Polnischen vermittelt.
Unterkunft
Bei der Wohnungssuche in Krakau gibt es viele Möglichkeiten, insgesamt ist es jedoch nicht schwer mit ein wenig Aufwand eine schöne Unterkunft zu finden. Prinzipiell gilt es schon bei der Online-Anmeldung an der Jagiellonen Universität die Frage zu beantworten, ob man in einem Dorm (Studentenwohnheim) untergebracht werden möchte oder nicht. Dazu muss man wissen, dass diese zwar sehr günstig sind (ca.80-100€ pro Monat), jedoch ein wenig außerhalb des Zentrums liegen und man sich dort üblicherweise mit jemand anderem das Zimmer teilt. Mir wurde außerdem berichtet, dass die Küchen dort sehr spärlich ausgestattet waren, so z.B. ein Kühlschrank nicht zur Grundausstattung gehörte.
Eine weitere Möglichkeit ist es, sich im Vorhinein in den unzähligen Facebook Gruppen oder Wohnungsportalen nach einer geeigneten Bleibe umzuschauen. Dort wird man auch auf viele Angebote treffen, hinter denen Agenturen stehen, die meist zwar sehr schöne Wohnungen/Zimmer anbieten, jedoch auch eine Vermittlungsgebühr verlangen.
Meine Empfehlung ist es grundsätzlich nach einer Wohnung in unmittelbarer Nähe zum Altstadtring (Stare Miasto) oder dem jüdischen Viertel (Kazimierz) zu suchen, da dort im Wesentlichen das studentische Leben, besonders das der Erasmus Studenten, stattfindet. Und genau das spiegelt sich auch in den Mietpreisen wider, so muss man durchaus mit einer monatlichen Miete von 300-400 € rechnen. Zwar ist es prinzipiell auch in dieser Lage möglich ein Zimmer für 150 € pro Monat zu bekommen, doch meist nur für Einheimische oder zumindest polnisch sprechende Erasmus Studenten mit entsprechenden Kontakten. Außerdem sollte man im Winter aufgrund der dortigen Heizverhältnisse (es wird zu großen Teilen immer noch mit Kohle geheizt) damit rechnen, dass hohe Nebenkosten entstehen.
Eine weitere, etwas mutigere Variante ist es, sich erst vor Ort in Krakau nach einer Wohnung oder einem WG-Zimmer umzuschauen, was natürlich den Vorteil bietet, diese auch besichtigen zu können, eventuell zukünftige Mitbewohner persönlich kennen zu lernen oder sich mit neu gewonnen, auch noch suchenden, Freunden zusammenzutun. Zwei meiner Freunde taten dies und hatten bereits innerhalb der ersten Woche eine wirklich schöne Wohnung gefunden.
Studium an der Gastuniversität
Bereits eine Woche vor Semesterbeginn findet die Orientierungswoche statt. Eröffnet wird diese mit einer Einführungsveranstaltung, in der man mit den ersten wichtigsten Informationen zu Studium und dem Leben in Krakau versorgt wird. Ich würde wirklich jedem raten an dieser Woche teilzunehmen und ab dem ersten Tag dabei zu sein, da dort auch die ersten Freundschaften entstehen und Grüppchen gebildet werden.
Die Orientierungswoche wird von dem ziemlich engagierten ESN (Erasmus Student Network) in Krakau organisiert und bietet jeden Tag volles Programm. Viele der Veranstaltungen sind kostenlos, einige kostenpflichtig. Wichtig ist jedoch, dass man sich für die kostenlosen Events vorher in der Facebook Gruppe anmeldet, da es leider nur eine ziemlich begrenzte Anzahl an Plätze gibt, dies ist eine Woche vor dem eigentlichen Beginn möglich. Das Programm ist ziemlich vielfältig und bietet neben Partys auch viele interessante kulturelle und sportliche Aktivitäten, die einem die Möglichkeit bieten viele neue Freunde zu finden und die Stadt Krakau kennenzulernen.
Eine weitere gute Möglichkeit Krakau und auch seine Bewohner kennenzulernen, bietet das Buddy-Programm, das von der Uni angeboten wird und jedem Teilnehmer für das Semester einen polnischen Mentor als Ansprechpartner vermittelt. Die Anmeldung dafür läuft vor Semesterbeginn.
Ich persönlich habe von Freunden, die daran teilgenommen haben, nur positives gehört, auch die Buddys waren alle sehr freundlich und hilfsbereit und konnten so manchen guten Insider Tipp geben.
Nach der Orientierungswoche und zu Semesterbeginn gilt es dann die richtigen Kurse zu finden und zu belegen, eine weitere Einführungsveranstaltung findet nicht statt.
Die Auswahl und Anmeldung der Kurse ist über das Onlineportal der Universität zu erledigen und ist zumindest anfangs ein wenig fordernd, da dieses teilweise doch ein wenig unübersichtlich gestaltet ist. Die Auswahl an englischsprachigen Kursen war in Ordnung und relativ vielfältig. Auch noch zu erwähnen ist, dass die spätere Anrechnung dieser Kurse bei mir absolut problemlos war.
Für die endgültige Festlegung der Kurse hat man vier Wochen Zeit, was die Möglichkeit offenlässt, sich mehrere Vorlesungen anzuhören, bevor man seine Entscheidung trifft. Bei eventuell aufkommenden Fragen, waren die Erasmus Koordinatorin der juristischen Fakultät und das International Students Office hilfsbereite und gute Ansprechpartner. Auch die Professoren waren alle sehr freundlich und haben sich um die Anliegen der Studenten gekümmert. Insgesamt muss man sagen, dass das Niveau der Kurse teils stark variierte und, dass das einiger nicht sonderlich hoch war, was vermutlich nicht zuletzt daran lag, dass zu großen Teilen Erasmus Studenten daran teilnahmen und daher wohl der Schwerpunkt der Lehre nicht unbedingt auf diesen Vorlesungen lag und nicht zuletzt niemand den Studierenden Steine in den Weg legen wollte. Auch die Klausuren am Enden des Semesters gestalteten sich entsprechend unproblematisch. Trotz dessen war das sprachliche Niveau meiner Dozenten durchweg gut.
Hin und wieder gab es auch Vorträge, ausländischer Gastprofessoren, über die man per E-Mail informiert wurde und die sehr interessant waren. Neben den vielen Jura-Kursen gab es auch die Möglichkeit kostenlose Sprachkurse zu belegen, zur Auswahl standen unter anderem Französisch, Spanisch oder Italienisch etc. Außerdem wurde ein Polnisch Kurs angeboten der jedoch 150-200 € kostete. Grundsätzlich muss man dazu sagen, dass es in Krakau nicht unbedingt notwendig ist polnisch zu sprechen, da man vor allem im Zentrum auch sehr gut mit Englisch zurechtkommt und man sich die absoluten Standartfloskeln und wichtigsten Wörter während des Aufenthaltes sowieso aneignet. Als Lern- oder Arbeitsplatz kann ich euch die kleine Bibliothek im Collegium Wróblewskiego empfehlen, die auch ziemlich viel deutsche juristische Literatur besitzt (für die, die in einem akuten Anfall von Heimweh das deutsche Verwaltungsrecht zu sehr vermissen sollten). In der Mittagspause kann man sich dann zur Nahrungsaufnahme wunderbar in die kleine mensaähnliche Salatbar „Chimera“ begeben.
Alltag und Freizeit
Insgesamt bietet das Auslandssemester in Krakau, auch vor allem weil eben die Belastung durch die Uni nicht sehr hoch ist, viele Möglichkeiten. Das Kultur- und Freizeitangebot dort ist groß und vielfältig.
Angefangen bei den vielen Museen und Stadttouren die sich mit Krakaus dunkler, aber sehr prägender Geschichte der NS-Besatzung während des 2. Weltkriegs und der Zeit der kommunistischen Diktatur befassen, bis hin zu den vielen Grünflächen und Aussichtspunkten (sogar einem kleinen See innerhalb der Stadt), oder dem Ufer der Weichsel, die zum Verweilen einladen. Auch gibt es einige wirklich schöne Kunstmuseen.
Krakau insgesamt ist eine sehr junge, hippe, studentisch geprägte Stadt, was sich vor allem auch im Nachtleben bemerkbar macht.
Die Innenstadt und das jüdische Viertel (Kazimierz) sind gesäumt von kleinen kreativ gestalteten Bars, Cafés und Restaurants. Ich kann wirklich nur empfehlen, abends einfach mal durchs Kazimierz zu schlendern und sich selbst davon zu überzeugen!
Vor allem Liebhaber von Live-Musik kommen aufgrund der vielen Jazz- und Blues Clubs auf ihre Kosten. Ein weiterer Tipp sind die Stand Up-Comedy Veranstaltungen jeden Sonntag im Szpitalna 1! Insgesamt muss man sagen, dass Krakau im Sommer wohl deutlich lebenswerter ist als im Winter. Dies liegt zum einen an den vielen Grünflächen, die sich im Sommer zu echten Hot Spots entwickeln und zum andern an der schlechten Luft, dem Smok im Krakauer Winter, die auch dafür sorgt, dass sportliche Aktivitäten im freien während des Winters nicht sonderlich viel Spaß machen und außerdem nicht sehr gesund sind. Umso gelegener kam es daher, dass das Krakauer ESN ein allwöchentliches Sportprogramm angeboten hatte, bei dem man mit den anderen Erasmus Studenten Fußball und Volleyball in der Halle spielen konnte. Für Freunde des Klettersports kann ich außerdem die ein wenig außerhalb des Zentrums gelegene Kletterhalle „Avatar“ empfehlen. Insgesamt war das ESN auch während des Semesters sehr aktiv und hat neben der vielen Partys, alle möglichen Events, Ausflüge und Reisen organisiert.
Ich habe das Auslandssemester während meiner freien Zeit vor allem auch dazu genutzt Osteuropa ein wenig besser kennenzulernen und bin in Polen, Tschechien und der Ukraine umhergereist und kann dies jedem wirklich nur wärmstens empfehlen. Dabei ist besonders praktisch, dass die Züge in Polen wirklich super günstig sind und man als Student noch zusätzlichen Rabatt bekommt. Das einzig Negative, was ich hier erwähnen könnte ist wirklich nur die Luft, die das Wetter sehr neblig und diesig macht und die an manchen Tagen so schlecht ist, dass viele Einheimische nur mit Atemmasken das Haus verlassen.
Leben in der Gaststadt
Zu den Lebenshaltungskosten lässt sich sagen, dass sie grundsätzlich deutlich niedriger sind als in Deutschland. Für den Mittagstisch im Restaurant zahlt man beispielsweise ca. 3-4 € und ein Abendessen bekommt man ab 4-7 €. Die Preise im Supermarkt sind meist jedoch nur minimal günstiger. Zwar ist es in Krakau so gut wie überall möglich mit EC-Karte zu zahlen, jedoch ist das Geldabheben nicht gebührenfrei, insofern würde ich jedem raten sich vorher eine Kreditkarte zu besorgen. Das Semesterticket, mit dem man jegliche Trambahnen und Busse in Krakau benutzten kann, kostet für ein Semester ca. 40 €.
Fazit
Zuallererst finde ich, dass ein Auslandssemester egal in welchem Land oder welcher Stadt immer eine unglaublich wertvolle Erfahrung ist und appelliere daher an jeden sich die Zeit dafür im Studium zu nehmen.
Des Weiteren bin ich letztlich unglaublich froh, die Entscheidung getroffen zu haben mein Auslandssemester in Krakau zu verbringen. Die Stadt ist unglaublich lebenswert und hat kulturell, historisch und architektonisch einfach super viel zu bieten und fällt meiner Meinung nach völlig unrechts oftmals in Vergessenheit und wird bei der Wahl des Auslandsaufenthaltes nur wenig beachtet. Auch ich war vor meinem dortigen Aufenthalt, mit Ausnahme von Prag, bisher nicht wirklich in Osteuropa unterwegs, kann aber jetzt rückblickend sagen, dass es ein absolutes Muss ist. Zwar erwarten einen dort nicht unbedingt Sonne, Strand und Meer, dafür aber eine Fülle an Kultur und Historie, die auch eng mit der Unsrigen verwoben ist.
Auch um die fehlende Internationalität der Krakauer Erasmus Community muss man nicht bangen, denn abgesehen von jeglichen Europäischen Nationen, die dort vertreten waren, traf ich auch auf Studierende aus Brasilien, Russland, Japan, Hongkong und den USA. Insofern kann ich abschließend nur sagen: „Nur Mut zu was Neuem!“, verbringt euer Auslandssemester in Krakau!
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Erfahrungsbericht auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.