Veröffentlicht am 06.11.2024
LL.M.-Studium im Ausland: Chicago-Kent College of Law

A) VORWORT
Hallo zusammen! Im Rahmen des USA-Austauschprogramms der Juristischen Fakultät Augsburg habe ich zwei Semester am Chicago-Kent College of Law studiert. Dabei kann für ein Semester gebührenfrei an einer von sechs US-Partneruniversitäten studiert werden. Zudem besteht bei vier von sechs der Universitäten die Möglichkeit, die gesammelten Credits auf eines der LL.M.-Programme anrechnen zu lassen und entweder direkt im Anschluss, oder aber zu einem späteren Zeitpunkt, ein zweites Semester dort zu absolvieren und den begehrten LL.M.-Titel zu erhalten.
B) VORBEREITUNG
I) Bewerbungsprozess Augsburg
Bewerbungsschluss ist jährlich am 30. November. Anfang November gibt es eine Info-Veranstaltung mit den wichtigsten Eckdaten zum Programm, bei der auch ehemalige Teilnehmende ihre Erfahrungen teilen. Näheres zur Bewerbung unter: www.uni-augsburg.de/de/fakultaet/jura/internationales/studium-usa/bewerbung/. Nach erfolgreicher Bewerbung findet ein Auswahlgespräch in 5er-Gruppen auf Englisch statt, das meist die Motivation der Bewerber und aktuelle Themen in den USA behandelt. Vor Weihnachten erfährt man, ob man einen Platz erhalten hat. Bei Zusage ist ein Unkostenbeitrag von 900€ fällig. Mitte Januar findet eine Info- Veranstaltung mit Rückkehrern des vorherigen Jahrgangs statt.
II) Bewerbungsprozess Chicago und Visum
Ende Februar erhielten wir eine E-Mail von der Programm-Koordinatorin vor Ort. Danach mussten einige Dokumente in einem Online-Portal hochgeladen werden (Motivationsschreiben, Reisepass, Vermögensnachweise etc.). Nach dem Upload wurden die Unterlagen für die Visumsbeantragung zugeschickt. Man muss sich online bei der US-amerikanischen Botschaft bewerben und einen Termin im Konsulat vereinbaren. Wer nur für ein Semester am Kent College studiert, benötigt ein J1-Visum, wer direkt ein zweites Semester bleibt, ein F1-Visum.
III) Housing
Da über das Augsburger Programm jährlich fünf Studierende nach Chicago gehen, konnte ich mit zwei anderen Teilnehmerinnen eine 3er-WG gründen. Untergekommen sind wir in den Century Tower Apartments, die im Loop (Stadtzentrum von Chicago) befinden, nur 20 Minuten Fußweg von der Uni entfernt. Das Gebäude bietet ein Fitness Studio, einen großen Aufenthaltsraum mit Kinoleinwand, Billardtisch und Lernmöglichkeiten sowie eine Dachterrasse.
IV) Sonstiges
In den USA wird fast ausschließlich bargeldlos bezahlt, daher sollte man eine Kreditkarte besitzen, im Bestfall ohne Wechselgebühren. Für ein Bankkonto empfehle ich ein internationales Konto über die App wise. Die Uni bietet eine verpflichtende Krankenversicherung an, die aber nicht alles abdeckt; eine zusätzliche Auslandskrankenversicherung ist deshalb ratsam. Zudem müssen diverse Impfnachweise sowie ein Tuberkulosetest erbracht werden, sodass man sich frühzeitig mit diesen Gegebenheiten auseinander setzen sollte. Für die ersten drei Monate hatte ich einen Unlimited Handyvertrag von MINT Mobile für $15 im Monat. Nachdem es danach teurer wurde, bin ich zu tello gewechselt; hier waren auch die Vertragszeiten deutlich flexibler.
C) STUDIUM AM CHICAGO-KENT COLLEGE OF LAW I) Chicago-Kent College of Law
Das Chicago-Kent College befindet sich im West Loop und damit relativ zentral. Es gehört zum Illinois Institute of Technology, dessen Main Campus sich aber deutlich weiter im Süden der Stadt befindet. Von außen erinnert die Law School eher an ein Bürogebäude und auch die Räume sind keine klassischen Vorlesungssäle. Das hängt unter anderem mit dem völlig anderen Lehrkonzept an US Law Schools ab, welches deutlich verschulter ist und auf kleine Kurse setzt. Es gibt Reading Assignments oder andere Hausaufgaben sowie aktive Mitarbeit im Unterricht. Besonders ungewohnt ist für die meisten deutschen Studierenden das Cold Calling, also aufgerufen zu werden, ohne sich gemeldet zu haben.
In den oberen beiden Stockwerken eine Bibliothek zum Lernen und Arbeiten; im Keller ein Fitness-Studio. Eine Cafeteria gibt es auch, hier gibt es allerdings bloß Snackautomaten mit relativ hohen Preisen, sodass für die Mittagspause entweder etwas mitgenommen oder auf Locations außerhalb der Uni ausgewichen werden muss.
Von der Uni aus gibt es diverse Veranstaltungen zum Kennenlernen von anderen Studierenden. Zum Beispiel findet Anfang des Semesters einen Student Mixer für alle internationalen Studierenden statt. Manchmal kommen auch Kanzleien in die Uni und verschenken diverse Giveaways. Es gibt außerdem diverse Law Student Associations (zum Beispiel von verschiedenen ethnischen Gruppen), die auch hin und wieder zu verschiedenen Events einladen. Am besten erfährt man von all diesen Dingen über den Uni-Newsletter, den man automatisch auf die studentische E-Mail-Adresse bekommt.
II) LL.M.-Programme
Insgesamt bietet das Chicago-Kent College sechs verschiedene LL.M.-Programme an, wobei eines davon ein verknüpftes LL.M. und M.B.A. Programm ist, was auf 2 bis 2,5 Jahre angesetzt ist. Die übrigen Programme sind: Global Business and Financial Law (GBFL), International Intellectual Property Law, Trial Advocacy, Legal Innovation and Technology und U.S., International and Transnational Law.
Letzteres bietet die größte Flexibilität bei der Kurswahl. Eines der speziellen Programme kann nur belegt werden, wenn man sich von Anfang an dafür entscheidet, zwei aufeinanderfolgende Semester in Chicago zu bleiben. Entscheidet man sich erst vor Ort für das zweite Semester oder absolviert dieses zu einem späteren Zeitpunkt, bleibt lediglich das U.S., International and Transnational Law Programm.
Ich hatte mich für das GBFL-Programm entschieden. Von den insgesamt 24 für den LL.M. benötigten Credits müssen mindestens 12 aus dem GBFL-Bereich sein, der Rest ist frei wählbar. Insgesamt habe ich über die beiden Semester die folgenden Kurse belegt: Introduction to American Legal Systems, Legal Writing, Business Organizations, Copyright Law, Futures, Swaps, and Other Derivatives, Evidence, Startup Lawyering, Professional Re- sponsibility, Legal Project Management/Legal Process Improvement, Design Law.
D) LEBEN IN CHICAGO
I) Transport
Von der Uni gibt es eine Fahrkarte, mit der man während des Semesters mit allen CTA-Linien sowie Bussen fahren und in relativ kurzer Zeit eigentlich alles Wichtige erreichen kann. Darüber hinaus gibt es Regionalzüge, die sich eignen, um in die Vororte zu gelangen. Schließlich gibt es noch Schnellzüge von der Union Station, von der aus man gut in andere nahegelegene Großstädte wie Indianapolis oder Milwaukee fahren kann.
II) Sightseeing in and around Chicago
Must Dos in Chicago sind definitiv der River Walk, die Architektur-Bootsfahrt, eine der beiden Aussichtsplattformen (Willis Tower oder Hancock Tower), der Navy Pier, der Millennium Park mit der Chicago Bean, die Magnificent Mile, die Strände und der Lincoln Park. Empfehlen kann ich auch, sich ein Musical auf dem Chicago Broadway anzusehen, ich habe hier beispielsweise Hamilton und Mamma Mia gesehen. Zudem sollen auch die Vorstellungen in der Chicago Opera sehr gut sein, in der Adventszeit lief hier der Nussknacker.
Bekannt ist Chicago für seine diversen Sportmannschaften. Meiner Meinung nach sollte man jede Sportart mindestens einmal live gesehen haben. Hierfür gibt es oft auch über die Uni vergünstigte Tickets. An Tagesausflügen kann ich Indianapolis und Milwaukee empfehlen. Außerdem gibt es in Illinois einen Freizeitpark von Six Flags mit vielen Achterbahnen und Fahrgeschäften. Möchte man hingegen etwas Natur erleben, bieten sich der Starved Rock State Park oder Indiana Dunes State Park an. All dies lässt sich mit dem Zug erreichen; allerdings ist man in den meisten Fällen mit einem Mietauto deutlich flexibler, was sich natürlich gerade bei mehreren Personen anbietet, wenn die Kosten aufgeteilt werden können.
Ansonsten bietet Chicago über das ganze Jahr verteilt zahlreiche Events, die man nicht verpassen sollte. Dazu gehören das im Grant Park stattfindende Lollapalooza Festival im August, das Rubber Duck Derby (Gummienten Rennen im Chicago River), die Chicago Air and Water Show, das Open Air Kino im Millennium Park, zweimal wöchentlich Feuerwerk am Navy Pier im Sommer, das Chicago Oktoberfest, diverse Paraden (Christmas, Halloween, Thanksgiving, etc.), das Färben des Chicago River zum St. Patrick’s Day, das Christmas Tree Lightning oder der „Christkindlmarket“ (mit Bratwürsten und aus Deutschland importiertem Glühwein).
E) FAZIT
Abschließend kann ich nur sagen, dass es für mich die aufregendsten 10 Monate meines bisherigen Lebens gewesen sind. Wer überlegt, einen Teil seines Studiums in den USA oder generell im Ausland zu absolvieren, dem kann ich dazu nur raten. Viel Erfolg und Alles Gute!
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Erfahrungsbericht auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.